Hallo, ich hab grad mit einigem Grummeln im Bauch den Artikel zu Strafen und Konsequenzen noch einmal gelesen. In Vielem erkenne ich mein derzeitiges erzieherisches Fehlverhalten und auch die oft einfache Erklärung, wie es dazu kommen kann. Kurz zu unserer derzeitigen Situation:
Söhnchen ist 3,3. er war bisher immer sehr einsichtig und brav, hat wenig Grenzen getestet, hat aber auch vergleichsweise wenige feste, unumstössliche Grenzen. Seine Schwester ist 1,5. ich bin wieder schwanger, gerade mit Outing, Baby ist daher grad sehr präsent. Der Papa ist seit 5 Wochen zu hause da krankgeschrieben, davon konnte er die letzten 4 gar nichts zum Familienleben beitragen (ausser Vorlesen und tarsächlich erstmalig auch kleine Filmchen am Ipad mit den Kindern gucken). Resultat: der sonst fürs Toben zuständige Papa liest nur noch, Mama hat soviel mit Haushalt und reiner Kinderpflege zu tun, dass sie auch nicht mehr so zugewandt ist wie sonst. Und vor Allem auch meine Geduld und mein liebevoller Tonfall sich nehr und mehr verabschieden. Logische Konsequenz: Söhnchen rebelliert. Und zwar an den wenigen, unumstösslichen Grenzen.
Jetzt auch endlich meine Frage: er hat sich angewöhnt, wegzulaufen. Erst nur wenige Meter, mittlerweile auch schon weitere Wege, in unbekanntes Gelände und heute sogar einmalig über eine wenig befahrene Strasse.
Meine sofortige Reaktion: dann musst du an die Hand, gehen wir nicht mehr raus (als logische konsequenz formuliert, bestimmt als Strafe empfunden) usw. Das alles fruchtet nicht, Hand laufen wird mit körperlicher Gegenwehr vom Feinsten quittiert... Ich werde wütend und laut, er wird noch verzweifelter, ich erkenne in der Situation klar, dass es nicht funktioniert, ich nicht authentisch und hilflos agiere, KANN es aber auch nicht laufen lassen, er gefährdet sich. Und die Schwester muss ich zu der Zeit auch noch im Auge behalten.
Wie komme ich jetzt hier weiter? Viele der äusseren Umstände kann ich nicht ändern. Wenn ich intensiv mit ihm spiele, läuft er dennoch weg (letzte Aktion direkt nach einem Vormittag, den die Schwester beim Papa vorm Buch verbracht hat und ich ganz für ihn da war). Wenn - Dann scheint mir viel zu seinem Unmut beizuttragen, das kennt er sonst von mir nicht. Aber wie ohne?
Seht ihr von aussen was, was helfen könnte? Oder müssen wir da durch und ich muss konsequent in meinem wenn-dann bleiben?
Wie Du schon selbst erkennst, ist die Lage gerade unübersichtlich bis schwierig - das wirkt sich natürlich auch auf Deinen Sohn aus. Ich bin auch unsicher, was seine Motivation ist - ist es tatsächlich ein Aufmerksamkeitsdefizit oder ein verstärktes Testen von Grenzen. Zu letzterem neigen auch Kinder mit wenigen Grenzen - sie prüfen schon gelegentlich, ob die Grenzen dann wirklich starr sind.
Ich vermute aber eher, dass er sich so Aufmerksamkeit sichern will, denn er merkt, dass Du auf das Weglaufen sehr emotional reagierst, weil es gefährlich ist. Aber an dieser Stelle würde ich selbst auch eine klare "Wenn-Dann-Formulierung" nutzen. Mein Sohn hatte diese Phase schon vor ein paar Monaten und ich habe allen Ernstes eine Leine besorgt. Und ich hätte sie ihm angezogen - aber die hat wohl so abgeschreckt, dass er dann doch einsichtig war und das Verhalten eingestellt hat. Aber ich wäre da konsequent gewesen - hier geht es um die körperliche Unversehrtheit.
Was mir auffiel: Du schriebst, dass selbst langes Beschäftigen nicht "hilft" - stell vor, dass er einen Tank hat. Sobald der auf Reserve läuft, wird unerwünschtes Verhalten gezeigt. Du tankst ihn um (sagen wir mal) 10 % auf - der kritische Wert ist aber 15 % - ab diesem Füllstand ist er zufrieden. Deine Bemühungen fruchten also nicht. Du ziehst also den Schluss: Hilft gar nicht. Daher versuch noch ein bisschen mehr zu geben - und pass auf, dass du nicht am kritischen Punkt bleibst, sonst denkt man immer wieder: Ich gebe und gebe und es hilft nichts. Ich werde dazu in Kürze auch noch mal einen Artikel schreiben...
Bis dahin wünsche ich Dir alles Gute und viel Kraft - das wird schon!
Ich bin zwar nicht Danielle oder Snowqueen, aber ich darf trotzdem antworten? Falls das hier nicht sein soll, bitte kleine Info
Dein Kleiner ist ja schon 3,3. Beim Weglaufen war ich ziemlich "streng" weil ich im Notfall tatsächlich auch nicht hinterherkäme.
Ich versuche es aber anders aufzuziehen und komischerweise hilfts. Er "hört" öfter nicht ( wenn man das so nennen will) aber doch zuverlässig dann, wenn er den Ernst der Lage versteht, oder man ihm ganz offen einen Vertrauensvorschuss gibt.
Also erste Möglichkeit: Ich sagte schon zu ihm, gibst du mir die Hand? Wenn er dann nicht wollte, meinte ich, ich glaube, dass wär mir aber lieber. ( Oder: Ach , ich weiß nicht so Recht...) Ich habe Angst, dass du zu weit vorläufst oder an der Strasse nicht hälst.
Dann hat er mir von sich aus zugesichert, dass ich mir diesbezüglich keine Sorgen machen muss. Und ich hab dann langedehnt gemeint: Naaa gut, wenn du mir das sagst.... Und hat sich immer dran gehalten.
2. Möglichkeit , die bei uns auch oft wirkt, ist absolute Offenheit.
Ich erkläre ihm in einem ruhigen Moment, wo meine Ängste sind, was mir körperlich möglich ist, wo meine Grenzen sind ( in deinem Fall ja, die SS) und das ist wirklich darauf angewiesen bin, dass er bei mir bleibt. Er doch schon fast 4 sei und das ich da echt seine Kooperation einfach benötige und ich sonst nicht weiß, was ich sonst machen soll.
So in etwa, also ich glaube, du verstehst, was ich meine.
hehe.. ob man hier auch schreiben darf hab ich mich auch gefragt und mich erstmal zurückgehalten
Zudem bin ich in dieser Angelegenheit totaler Laie, da meine Kleine erst 1 Jahr alt ist.
Allerdings möchte ich jetzt doch zum Besten geben, was mir spontan beim Lesen eingefallen ist: Du schreibst, dass der Papa zum Toben ausfällt. Vielleicht geht es ja doch (auch) ums Rennen bzw. um körperliche Auslastung. ("Wenn keiner mit mir tobt, dann lauf ich weg. Da läuft immer einer hinter mir her." Falls das ein Grund sein könnte, vielleicht könnte man ja tägliche Laufspiele draußen auf ungefährlichem Terrain einführen. Vielleicht ein Hinternisparcour (Start: Unter der Mama durchkrabbeln, zum Baum, auf die Rutsche und wieder runter, über die Wippe, usw.). Evtl. auch gegen die Zeit (mit Stopuhr) oder andere Kinder (so irgendwie greifbar), zur Not auch gg. die schwangere Mama (wobei Mama natürlich eine andere Strecke "läuft", weil sie ja langsamer ist).
Ansonsten: Kann man einem Kind in dem Alter vielleicht auch eine "Weglaufstrecke" vorgeben? So nach dem Motto "wenn du weglaufen willst, dann lauf da hinter zu dem Baum und wieder zurück". (Kommt natürlich auch auf die Situation an. Würde sich aber z.B. anbieten wenn man zum Spielen draußen ist.)
Wie gesagt, bin absoluter Laie und weiß nicht ob sowas funktioniert.. aber zusätzliche Bewegung schadet ja grundsätzlich mal nie, oder?
Danke, Ihr Lieben, für die Antworten. Es tut schon gut, zu lesen, dass die Situation hier einfach mal nicht einfach ist. Jetzt hätt ich gern mal Grosseltern in der Nähe
Danielle, Dein Hinweis, dass der Tank vielleicht einfach noch nicht voll ist, hat mir sehr geholfen. Mein Mann sagte auch schon, dass die Kinder sonst einfach eine zugewandtere Mama haben.... Ist halt schwer, gerade jetzt die Reserven zu finden. Aber langfristig helf ich uns ja damit. Und Besuch kann ich zur Zeit eh nicht reinlassen, ob ich nun 10 Minuten mehr oder weniger putze. Hier siehts schlimmer aus als beim schlimmsten Frauentausch.
Maral, was mich im Moment eben so zur Verzweiflung treibt, ist dass der Vertrauensvorschuss nicht mehr funktioniert. Ich konnte ihm sonst stets erlauben, vor zu gehen oder an der Strasse ohne Hand selber zu gucken, ob die Strasse frei ist. Er musste dann auf meine Bestätigung warten, aber er hatte das Gefühl, es selbst bestimmt zu haben. Jetzt kann es mir halt passieren, dass er wegläuft, nicht stehen bleibt. So ein Rückschritt, zu diesem Zeitpunkt - ich kann nicht mehr.
Angel, wir sind jeden Tag draussen, er kann genug rennen... Ich lass ihn z.B. auch ab einer sicheren Stelle bis auf den Spielplatz, ausser sichtweite, vorrennen (ist der einzige Eingang, Spielplatz ist sicher). Das macht ihn sehr stolz. Aber ich bring mich selber wenig ein, geniesse auch mal am Rand zu sitzen. ist ein guter Gedanke, mehr zu versuchen, mich einzubringen. Ich schaff es im Moment körperlich und ehrlich gesagt auch psychisch nicht, fangen zu spielen, aber mit meinen Beinen ein Tor machen, das schaff ich grad noch.
Ach Menno. Er ist so ein Vernünftiger normalerweise und grad jetzt, wo ich kaum Kapazitäten hab, ists so schwierig. Ich bin oft schon von den Nächten mit der Kleinen (die sich zusätzlich zur Zeit weigert, mittags zu schlafen, arrrgh!!!) schon so genervt, dass mich eine sonst fröhlich verhandelte Stellungsnahme zum Thema "welche Unterhose?" nahezu zum ersten lauteren Tonfall treibt. Bin auch mit mir (und mit ihm leider auch) so unzufrieden.
Ich wollte mal eine kurze Rückmeldung geben: ich habe die letzten Tage ganz bewusst versucht, dem Sohnemann mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Gleichzeitig gehts dem Mann viel besser, so dass ich Samstag das erste Mal seit 6 Wochen drei Stunden ganz allein für mich zu hause hatte - das hat mir viel Kraft gegeben, etwas gelassener zu sein.
Wir tanzen immer noch ein bisschen um den heissen Vulkan, jedes "Neiiiiiiiin" wird gebrüllt und bei meinem Mann lag er wohl brüllend am Boden vor der Wursttheke (weil er nicht auf die Kante der Theke klettern durfte, also nicht auf so eine Taschenablage, sonder direkt auf die Kante von Glas und Aluminium): "aber er trotzte nur ganz kurz" laut Mann. Ein Erfolg, im Moment.
ABER: er rennt nicht mehr weg, zumindest nicht an der Strasse. Im Kiga, als es heute Ärger gab, weil er mit Sandschuhen durch den Gruppenraum lief, war Flucht in alle Richtungen wieder erste Reaktion der Wahl.
Ich hab dennoch das Gefühl, dass er wieder zugänglicher wird, zumindest daheim. Im Kiga gehts wohl grad gar nicht, aber das bestätigt die These, dass er gesehen werden will: bei 4 neuen U3s und 9 Vorschulkindern fallen die mittleren, die aber auch noch nicht ganz ein Jahr da sind (letztes Jahr wurden die Us im Dezember aufgenommen), hinten runter. Und das ist noch zu früh, um schon ein alter Hase zu sein. Er rebelliert.
Ich arbeite gerade an einem Artikel zu verschiedenen Arten der Aufmerksamkeit - vielleicht braucht er eine ganz andere Form von Aufmerksamkeit?
Ich finde die Strategie wirklich gut, den Tank erst mal zu füllen - dann hat man einfach mehr Spielraum, schließlich hat man nicht immer gleich viel Zeit/Nerven, kontinuierlich Aufmerksamkeit zu geben.
Ich bin sehr gespannt, wie sich die Situation weiter entwickelt. Sei Dir immer bewusst: Es ist die Autonomiephase - es wird bald besser. Wirklich. Er will Dich nicht ärgern, er entdeckt einfach seinen Willen (blöde Bezeichnung).